Wieso heißt diese Dorfkirche in Lichterfelde eigentlich Giesendorfer Kirche? Die ganze Geschichte von Giesendorf und dieser Kirche.
Hinter einer kleinen Mauer und Bäumen versteckt liegt die Dorfkirche Giesendorf am Ostpreußendamm. Dieser Teil von Berlin-Lichterfelde hat arge Veränderungen erlebt. Die heute unsichtbaren Anfänge müssen bei den Slawen gesucht werden.
Giesendorf im heutigen Lichterfelde
Den Einheimischen dürfte es hinlänglich bekannt sein, dass Giesendorf 1877 in (Groß-)Lichterfelde aufgegangen ist und 1920 von (Groß-)Berlin geschluckt wurde. Und seit 2001 ist es Teil des Bezirks Steglitz-Zehlendorf.
Die ursprünglich slawische Siedlung an der Stelle ist spätestens im 10. Jahrhundert gegründet, aber im 13. Jahrhundert aufgegeben worden. Die Siedlung befand sich damals an einer Wasserrinne, wie es bei slawischen Siedlungen häufig der Fall war. Diese Wasserrinne war selbstverständlich die Bäke. Ein Indiz für den slawischen Ursprung der Siedlung, deren Überreste 1971 gefunden wurden, ist der Geländename: Wenddorf. Der Name verweist auf den slawischen Stamm der Wenden. Sie lebten hier, bevor im 13. Jahrhundert deutsche Siedler kamen.
Diese Kolonialisierung erfolgte nach einem gewissen Prozedere. Dafür wurden sogenannte Lokatoren ausgeschickt, die nach Siedlungsgründen suchten. Sie führten den Treck der Siedlungswilligen an und bestimmten den Platz. Für diese Arbeit erhielten die Lokatoren mehr Land und stellten nicht selten den ersten Schulzen und Richter des Dorfs. Außerdem gaben sie dem Ort zuweilen auch ihren Namen.
Im Falle des Orts Giesendorf, stand der Lokator Ghiselbrecht Namenspatron. Die Errichtung des Straßendorfs zu beiden Seiten des heutigen Ostpreußendamms erfolgte um 1230. Im Jahr 1299 ist Ghiselbrechtsdorpf urkundlich zu finden. Diese Lokatoren waren zumeist Adelige der unteren Ränge, aber doch mit dem nötigen Kleingeld. Giesendorf war wie viele andere Orte in der Gegend arm, denn der Boden ist karg. Die Funde legen dar, dass die slawischen Siedler aus dem ursprünglichen ‚Wenddorf‘ nach ‚Giesendorf‘ umzogen und an der Gründung beteiligt waren.
Zahlreiche Herrscher von Giesendorf
Der Grundherrscher war der Markgraf, der es 1308 bis 1375 an den Bischof von Brandenburg verlieh. Damals maß das Dorf 50 Hufe, wobei die Wassermühle damals nicht im Einsatz war und es gab keine Kneipe. Im Jahr 1400 ging Giesendorf wieder an den Landesherrn. 29 Jahre später erlangte der Adel von Quast zu Saarmund das Dorf, von wo es ab 1480 an die Familie Gröben ging. Zu der Zeit wurden immer weniger Hufe bewirtschaftet. Bei den Gröben blieb Giesendorf bis 1792, zusammen mit der Gerichtsbarkeit und dem Kirchenpatronat. Sie wohnten ab 1608 auch dort.
Eine Kneipe gab es in Gisempsdorff erst ab der Mitte des 16. Jahrhunderts und die Fischrechte am Teltower See hatte der Pfarrer inne. Der Dreißigjährige Krieg ließ auch dieses Dorf wüst zurück, sodass die Zahl der Einwohnenden einstellig war. Konkret wurde Giesendorf zwei Mal, in den Jahren 1632 und 1646, gebrandschatzt. Die Gröber hatten fast alle Rechte in Giesendorf und sogar ein Weinberg gehörte zu ihren Besitzungen. Aber sie mussten auch auf einige Güter verzichten, denn auch der Adel von Beeren verfügte in der Gegend über Land.
Ab dem Ende des 18. Jahrhunderts wechselten sich die Besitzer in schneller Abfolge ab, wobei der Ort zweigeteilt war. Die von Hake erwarben einen Teil von Giesendorf zwischen 1792 und 1803. Für ein Jahr gelangen die von Grotthuß, anschließend bis 1810 der Erbjägermeister (Friedrich Detlef) Graf von Moltke an diesen Ortsteil, der es 1817 an den Adel von Billerbeck übergab. Es folgten 1828 Alexander Berhardt, 1840 bis 1870 die Familie von Rieben und ab 1848 zum Teil der Graf Heinrich Pourtales-Gorgier. 1855 ein Herr Löwernhardt, 1856 ein Herr Zabel, 1862 der Prinz zu Hohenlohe-Oehringen und 1864 der Graf Königsdorf. Ab 1865 erwarb der Villenbauer Johann Anton Wilhelm von Carstenn das Dorf und begann mit der Parzellierung für den Villenbau.
Den anderen Teil des Dorfs besaßen 1630 bis 1692 der Adel von Beer, der es zeitweise an den Adel von Krummen See verpfändete. Von 1692 bis 1709 waren die Dankelmanns damit begütert, von 1709 bis 1733 die Kunows, der Adel von Brandhorst von 1733 bis 1738, der Adel von Kraut von 1738 bis 1746 und die Bruders von 1746–1770. In diesem Jahr warf der Geheime Kriegsrat und Sohn des Großkanzlers Karl Friedrich von Jariges zu Lichterfelde ein Auge auf den Ort, der von Carl Leopold Daniel von Bülow-Giesendorf nach fünf Jahren abgelöst wurde und sich erstmals nach dem Ort benannte. Ab 1783 übernahm der Adelige von Ludwig zu Lichterfelde.
Im 19. Jahrhundert wuchs Giesendorf heran. Das war nicht zuletzt auch der Wandlung zu einem Rittergut zu verdanken, welches die Wirtschaft ankurbelte. Auch durch die Anstrengungen des Villenbauers Carstenns vergrößerte sich zudem der Zuzug des Geld- und Militäradels.
Schließlich wurde Giesendorf in Lichterfelde integriert und der Name ging verloren. Heute zeugen einzig noch eine Straße und der Name der Kirchengemeinde von dem einstigen Giesendorf.
Giesendorfer Dorfkirche in Lichterfelde
Giesendorf hatte die Dorfkirche in seinem Zentrum, was heute nicht mehr existiert und auch keine baulichen Spuren hinterlassen hat. Überhaupt ist die Kirche eine Rekonstruktion.
Die Kirche entstand ab 1250 aus Holz. Erst später wurde der Bau mit Feldsteinen aus den umliegenden Äckern erstellt. Den Auftakt machte die Osthälfte – der Altarraum. Erst rund 100 Jahre später – im dritten Viertel des 13. Jahrhunderts – wurde das Langhaus dazugestellt. Vermutlich war auch damals schon ein Turm geplant, aber nicht umgesetzt worden. Der Ansatz eines Triumphbogens ist im unverputzten Zustand auszumachen. Man geht auch wegen des versetzten Priesterportals davon aus, dass man ursprünglich einen eingezogenen Chor für den Bau vorsah. Zu der Zeit der Entstehung war es durchaus üblich, eine Kirche ohne Apsis zu bauen.
Über die ursprüngliche Größe lässt sich nichts sagen, aber die heutige Größe lässt auf eine kleine Gemeinde schließen. Die Feldsteinkirche ist nach derjenigen aus Schmargendorf die kleinste ihrer Art in Berlin.
Ursprünglich waren es wohl nur zwei Fenster, die aber ohne Glas auskommen mussten. Vermutlich schloss man sie mit Holzläden. Im 14. Jahrhundert wurde die Kirche vergrößert. Das ist auch an den unterschiedlichen Steinformen abzulesen. Die schmalen Fenster sind 1609 vergrößert worden, was auch eine Verbindung zur Reformation hatte, denn fortan konnte man das Heilige Buch auf Deutsch lesen.
Der Dreißigjährige Krieg tobte in Giesendorf und richtete massive Schäden an den Menschen und den Gebäuden an. Die Kirche war davon nicht ausgenommen. Danach nutzte man die Gelegenheit und fügte dem Gotteshaus einen Turm hinzu. 1686 errichtete man den Turm, der den Zweiten Weltkrieg nicht überstanden hat. Er hatte die Form eines abgestuften und verbretterten Turms, wie er beispielsweise in Sputendorf zu sehen ist. Anfangs überdachte ein schlichtes Satteldach den Turm, 1691 wurde es durch eine Pyramide ersetzt. Darauf war eine Viereckskonstruktion (sogenannte Laterne), die mit einer Turmuhr versehen war.
Auch im Inneren schraubte man kräftig zur Zeit der Reformation. Die strikte Trennung von Mann und Frau wurde aufgehoben, weshalb man auch einen Chor einbaute und den Mittelgang, der vorher als Barriere diente, pflasterte.
Nach weiteren Fenstern 1711, einer Orgel 1836, wurden 1873 und 1878 seitliche Emporen eingezogen und neue Lichtquellen organisiert. 1927 kam eine neue Orgel und 1933 wurden die Ostfenster zugemauert und man konnte heizen.
Im Zweiten Weltkrieg wurde die Kirche beim Bombenangriff 1943 stark beschädigt. Erst ab 1954 wurde die Kirche wieder instand gesetzt. 1975 baute man die Sakristei dazu.
Wiederaufbau und was verändert wurde
Bei den Wiederaufbauarbeiten durch den Architekten Ludolf von Walthausen, die an der Kirche bis 1955 andauerten, mussten einige Kompromisse gemacht werden. Man stellte die Kirche nicht im Originalzustand wieder her. Bei den einst barocken Fenstern wurden nach dem Zweiten Weltkrieg Segmentbögen genutzt. Ein Spitzbogenfenster aus dem 14. Jahrhundert wurde zwar wiederhergestellt, aber andere Fenster wurden auch geschlossen. Sie sind nur mehr als Nischen vorhanden.
Die ursprüngliche Sakristei ist nicht in seinem gotischen Ursprung wiederhergestellt worden. Auch der verbretterte Turm blieb Vergangenheit. Er musste 1953 entfernt werden. Der Westgiebel konnte ebenfalls wieder rekonstruiert werden, allerdings ohne den Turm und mit einem Dachreiter. Die Glocke ist eigentlich von der Berliner Garnisonkirche, die 1908 ein Opfer der Flammen wurde. Die Inschrift darauf lautet. „ES IST IN KEINEM ANDEREN HEIL und MICH GOSS GUSTAV COLLIER IN ZEHLENDORF.“ Ursprünglich verfügte der Turm über eine Glocke aus dem Mittelalter. Die Orgel wurde übrigens erst zwei Jahre später, im Jahr 1945, zerstört und 1956 ersetzt.
Von den bekannten Gegenständen aus dem Mittelalter, wozu ein Kelch, eine Kreuzstele und zwei Monstranzen aus Kupfer zählen, fehlt jede Spur.
Wo befindet sich die Dorfkirche Giesendorf?
- Ostpreußendamm 131a
- 12207 Berlin-Lichterfelde
- GPS: 52.42105273203744, 13.311490864583181