Das Emisch-Haus ist ein buntes und multistilistisches Gebäude, das sich dem Bauensemble Lichterfelde-West ergibt.
Selbst jene, die das Emisch-Haus nicht kennen, vermuten es in Lichterfelde-West und dort steht es auch tatsächlich als eines der vielen Villen. Wer Streifzüge durch die Architektur unternehmen will, sollte sich das Villenviertel Lichterfelde-West ansehen. Das Emisch-Haus ist ein guter Ausgangspunkt dafür und befindet sich in Sichtweite des S-Bahnhofs. Das Haus beherbergt einen bunten Strauß verschiedener Baustile und weil der Platz nicht reichte, ergeben die Malereien weitere Epochen.
Wilhelm Sander | Erbauer des Emisch-Haus
Das Paul-Emisch-Haus wurde ursprünglich vom Architekten Wilhelm Sander im Jahr 1894 fertiggestellt. Nach seinem Studium 1886 entwarf er einige Häuser in dieser Gegend. Er fühlte sich vor allem dem damals verbreiteten Historismus verpflichtet, dessen Blick aufs Pseudonationale gelenkt war. Einige Malereien entstanden zu Zeit von Sander, das meiste ist jedoch unter der Regie von Emisch aufgepinselt worden.
Das Haus sollte Sanders eigenes Domizil werden, als er 1889 heiratete. Die Bauarbeiten begannen 1892. Zu dieser Zeit geriet Sander in finanzielle Schieflage und verkaufte das Haus 1902 an den Geschäftsmann Paul Emisch, dessen Namen es heute trägt.
Sander ging nach Südwestafrika, das heutige Namibia und baute beispielsweise in der Hauptstadt Windhuk einige Gebäude. Seine Frau weigerte sich nach Afrika zu gehen und blieb in Berlin. Sander gehörte auch zur Kaiserlichen Schutztruppe in Namibia, die 1904 den Völkermord an den Herero und Nama beging. Dabei handelte es sich um eine Armee von Freiwilligen. Sander starb 1930 und wurde in Windhuk beigesetzt.
Architektur des Paul-Emisch-Hauses in Lichterfelde-West
Sander erbaute das Haus ganz im Stil seiner Zeit, dem Historismus. Auf der Suche nach den Wurzeln besann man sich auf die Bauweisen früherer Zeiten. Damit hatte der Historismus auch eine politische Komponente und spiegelte den aufkeimenden Nationalismus, welcher zusammen mit dem Rassismus der Kolonialzeit zur geradezu lächerlichen Vorstellung führte, man sei der göttlichen Genese letzter Schluss.
Der Historismus will die Erinnerung an das Mittelalter wieder aufleben lassen. Das entsprang einer Zeit, in der die deutschen Wurzeln romantisch verklärt wurden. In dieser Vorstellung werden das Germanische und das Deutsche inkorrekter Weise gleichgestellt. Daraus leitete man auch ab, die Goten wären als Germanen Teil des deutschen Volk gewesen. Die Neogotik stand in jenen Tagen in voller Pracht. Der Name Gotik ist allerdings ein sogenannter ‚false friend‘. Im Mittelalter lautete der Begriff für diese Bauart der Herkunft wegen: der französische Stil. Den Namen Gotik vergab ein italienischer Baumeister in der Renaissance, um die Hässlichkeit der Gebäude auszudrücken. Die Goten als Barbaren, die Rom geplündert und das römische Imperium zerstört haben, standen im italienischen Ansehen recht niedrig.

Der Historismus ruft die alten Bauweisen wieder in Erinnerung, was mit dem Zusatz Neo- benannt ist. Beim Emisch-Haus versuchte man offenbar so viele Baustile wie möglich in einem einzigen Haus unterzubringen. Das Haus mit einer Grundfläche von 20 Meter auf elf Meter verbindet derart ganz unterschiedliche Elemente, sodass man auf den ersten Blick gar nicht denkt, das alles zusammengehört. Es findet sich Neofachwerk neben dem neobarocken Turm in der Mitte und mit neogotischen Stufengiebeln geht es weiter.

Auf der Villa ist eine großzügige Dachterrasse angelegt, wobei man eher von einem Garten reden kann. Diesem ist über die Zeit eine Balustrade abhandengekommen. Das Dach hinter dem Giebel ist bis heute als Stall ausgebaut, dort thronte einst ein Ziegenbock. Heute dient der Garten den Einwohnenden, die zu den Nachfahren von Emisch gehören, als Kräutergarten. Mit dem Dach schmiegt sich die Romantik ein wenig an, die sich auch an damals modischen jugendstilistischen Malereien am Fachwerk exemplifiziert.

Malereien und Sprüche am Paul-Emisch-Haus Lichterfelde-West
Die Malereien haben teils biblische Motive. Dazu zählt die Darstellung einer Arche, was dem vielen Regen damaliger Tage geschuldet gewesen sein soll. Doch daneben widmet sich die Malerei weiteren Baustilen der Epochen. Das Mittelalter spiegelt sich am Turm mit den Wappenvögeln zu beiden Seiten der Fenster, darunter der Name „Paul Emisch“. Des Weiteren findet sich überlebensgroß der Minnesänger Walther von der Vogelweide auf der Fassade. Zur anderen Seite symbolisiert Emischs Tochter, die die Sonne hält, die Renaissance. Die barock-anmutenden Engel unter den Giebeln kündigen wohl Paul an. Sie befinden sich zu Füßen des Heiligen Paulus, dem Namensvetter von Emisch, der in einer Nische steht. Die Malereien im Fachwerk zeigen afrikanische Tiere und magisch anmutende Figuren. Diese Malereien sind wohl noch aus Sanders Zeit.
Neben den Malereien finden sich auch einige Sprüche, wie es in jener Zeit ebenfalls üblich wurde. Hier stehen aber gleich mehrere. Darunter das lateinische „Hic rideo ego“, was ‚Hier lache ich‘ bedeutet. Zudem steht an der Fassade der trotzige Spruch: „Wem‘s nit gefallt, Mach hier nit Halt Kann maken wat hei will“. Der letzte Spruch ist ein Plädoyer für, heute würde man sagen, Party: „Wer Dag for Dag sien Arbeit deiht un jümmer ufn Posten steht un deiht dat froh un deiht dat gern Der mag sich ok mal ameseern.“ (Wer Tag für Tag seine Arbeit tut und immer auf dem Posten steht und tut das froh (en Mutes) und tut das gern, der mag sich auch mal amüsieren.“
Paul Emisch aus Lichterfelde-West
Paul Emisch war ein Geschäftsmann und erkannte schnell das Potenzial in Lichterfelde. Derart machte er sich zum Immobilienmakler und war sogar Gründungsmitglied des Rings Deutscher Makler (RDM). Außerdem handelte er mit Kolonialwaren wie Zigarren oder Wein. Auch Lotterie-Lose konnte man beim ihm erwerben und da die Mehrzahl der Lose dem innewohnenden Logikprinzip keinen Gewinn abwarfen, erwarb Emisch den Spitznamen „Nieten-Paule“.
Seine Kinder übernahmen die Geschäfte und die Nachfahren sind bis heute im Immobiliengeschäft und im RDM-Vorstand.
Wo befindet sich das Paul-Emisch-Haus?
- Curtiusstraße 6
- 12205 Berlin-Lichterfelde
- GPS: 52.44284735846437, 13.295756553111817