Zehlendorfs Aufstieg ging auf Kosten der Dorfaue, dem mittelalterlichen Zentrum des einstigen Dorfs. Königliche Bequemlichkeit und neue Prioritäten setzten die Axt an Zehlendorfs ursprünglichen Dorfanger.

Unser Zehlendorf im ersten Drittel des 21. Jahrhunderts sieht ganz anders aus als zu seiner Gründung um das Jahr 1200. Dabei meine ich nicht nur die Größe, sondern die Struktur – und das hat mit der Straßenführung zu tun. Die erste und wichtigste Straße in Zehlendorf war die heutige Clayallee, die als Hauptstraße begann. Diese Hauptstraße führte auch damals schon an der Dorfaue, dem Dorfanger vorbei.

Zehlendorfs Dorfanger zu Beginn

Als Zehlendorf gegründet wurde, war es eine Übernachtungsmöglichkeit auf der Strecke in den Barnim und die klassische Herangehensweise, das Gebiet und seine Ressourcen zu erschließen. Im Zentrum des Dorfs, das selbstverständlich landwirtschaftlich geprägt war, lag der Dorfanger. Es war die gemeinsame Wiese, auf der alle ihr Vieh weiden lassen konnten.

Zu seiner Gründung war der Dorfanger in Zehlendorf deutlich größer als heute, er reichte vom Anfang bis zum Ende, und verfügte über zwei Gewässer als Viehtränke. Im Heimatmuseum Zehlendorf kann man eine Miniaturnachbildung des mittelalterlichen Dorfkerns sehen.

Verkehrsorientierung von Nord-Süd nach Ost-West

Doch die Zeiten änderten sich mit Wilhelm II (1712-1786), der den Thron des kinderlosen Friedrich des Großen übernahm. Er veränderte das Antlitz Zehlendorfs drastisch. Schon sein Vorgänger, Wilhelm I, baute im Jahr 1730 den Königsweg nach Potsdam. Potsdam wurde immer mehr zum Zentrum des königlichen Lebens. Damit verlor die Clayallee (damals Hauptstraße) ihre Bedeutung. Der wichtige Weg führte nun nicht mehr in Nord-Süd-Richtung, sondern von Berlin nach Potsdam in Ost-West-Richtung.

Für ein Pferd mag der Königsweg mit seiner Unebenheit und dem märkischen Sand noch einigermaßen zu bewältigen sein, für einen Händler mit Fuhrwerk oder für eine Kutsche ist die Passage deutlich beschwerlicher.

Wilhelm II ließ von 1792 bis 1795 die Potsdamer Chaussee in die Landschaft hauen. Diese Streckenbedeutung hatte städtebauliche, aber auch wirtschaftliche Veränderungen im Südwesten Berlins zur Folge: Die Bevölkerung nahm wie das Prestige an den Dörfern dieser Strecke zu. Das legte womöglich auch die Grundlage für die Planung der Villenkolonien.

Dennoch versprach den Königsweg und anfangs auch die Potsdamer Chaussee, eine unbequeme Reise auf einem sandigen Untergrund. Auch die Eisenbahn, die ab dem Jahr 1838 nicht mehr in Zehlendorf endete, forderte ihren Platz.

Auswirkungen auf den Dorfanger

Für den Bau der Chaussee nach Potsdam (Potsdamer Chaussee), den der König per Edikt veranlasste, mussten Opfer gebracht werden. Die Straße nach Potsdam, so die Planung, ging mitten durch den Dorfanger. Der war durch die Streckenführung auf einer Breite von über zwölf Metern zerschnitten worden.

In dieser Struktur verblieb Zehlendorfs Zentrum für 101 Jahre unverändert in der Verkehrslenkung. Doch ein weiterer Straßenbau schickte sich 1896 an, den Dorfanger zu verkleinern. Die Straße nahm sich in der ersten Hälfte der 1950er Jahre noch mehr Platz von der Dorfaue, denn die Anzahl der Spuren nahm zu. Für den Teltower Damm wurden auch Bäume entlang des Dorfangers gefällt. Nicht zuletzt nahm die Bevölkerung zu und Wohnraum wurde benötigt. Den letzten Teich auf dem Dorfanger legten die US-Truppen nach dem Zweiten Weltkrieg trocken, um Malaria abzuwehren.

Heute ist Zehlendorfs Anger nur noch ein Teil dessen, was er früher mal war. Aber vom alten Dorfkern ist noch ein Weg enthalten, nämlich der gepflasterte Weg westlich des Dorfangers, der auch an der Hochzeitsvilla (Standesamt) vorbeiführt.

Wo befindet sich der Dorfanger Zehlendorf?

  • Teltower Damm 14
  • 14169 Berlin-Zehlendorf
  • GPS: 52.433654029301934, 13.259357709780822

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