Die Renaissance des Teltower Rübchens nach dem Zweiten Weltkrieg gelang dank des Einsatzes des Teltower Heimatforschers Günter Duwe. Er verhalf der brandenburgischen Delikatesse wieder zu ihrem alten Ruhm, die Teltow über Europa hinaus berühmt machte und ihren Weg bis nach Indien fand. Der Anbau und auch das Rübchenfest werden alljährlich in Ruhlsdorf zelebriert und ist ein kulturelles Highlight der Region.

Zu beiden Seiten des Teltowkanals haben alle schon mal von dieser Spezialität gehört: das Teltower Rübchen. Es ist ein besonderes und besonders schmackhaftes Gemüse, das selbstverständlich auch einen eigenen lateinischen Namen führt: Brassica rapa subsp. rapa f. teltowiensis.

Dieses Gewächs trotzt dem märkischen Sand, der auf der Teltower Platte weit verbreitet ist. Die Böden auf der Teltower Platte, die sich nach der Eiszeit aus Schmelzwassersandflächen bildeten, halten nur wenige Nährstoffe vor. Das ficht diese Rübenart aber nicht an, sie gedeiht in diesem Umfeld gut. Mehr noch, gerade die sandigen Böden sollen dem Gewächs ihren Geschmack verleihen. Der eigentliche Ursprung des Teltower Rübchens liegt im Dunkeln. Günter Duwe geht davon aus, dass die Zisterzienser-Mönche die Rübe mitgebracht oder womöglich gezüchtet hatten. Schließlich verstanden sich die Glaubensbrüder auf das Pflanzenzüchten und auch der Papst erhielt eine Rübchen-Lieferung. Damit erscheint das Teltower Rübchen vermutlich im 12. Jahrhundert im Lichte der Geschichte, die erste schriftliche Erwähnung dauerte aber bis zum 18. Jahrhundert. Der Teltower Pfarrer Johann Christian Jeckel erwähnte sie zu jener Zeit des guten Geschmacks wegen in seinem Heimatwerk „Teltowgraphie“.

Der Stadthistoriker Günter Duwe investierte viel Zeit und Mühen in die Recherche zu dieser Rübenart und wurde derart zum Fachmann, dessen Rat auch das Land Brandenburg einholte. Dieser Artikel entstand in Gesprächen mit Herrn Duwe, der sich auch wegen seines Engagements für das Teltower Rübchen ins Goldene Buch der Stadt Teltow eintragen durfte. Herr Duwe ist auch der Verfasser des einmaligen Gesamtwerks zur Rübe mit dem gleichlautenden Titel: „Das Teltower Rübchen“

Die Teltower Rübe

Bald nach meiner Ankunft in dieser Gegend trieb mich die Frage nach gastronomischen Spezialitäten um. Die Erkundigungen brachten recht schnell einen ersten Kandidaten: „Das Teltower Rübchen“, war meist die zuerst und bedenkenlos geäußerte Antwort. Die weiße Rübe sticht auf vielen Märkten in Potsdam-Mittelmark und Berlin ins Auge und ist wegen des ungewohnten Geschmacks auch sehr zu empfehlen.

Sicherlich gibt es viel über die Botanik des Wurzelgemüses zu erfahren, wofür sich ein Blick in das erwähnte Buch lohnt. Wir wollen uns aber mit den Eckpunkten zur Rübe begnügen. Das Teltower Rübchen hat Querstreifen, mehrere Nebenwurzeln und verdickt sich stark nach oben. Das Fleisch der Rübe ist leicht gelblich und variiert im Geschmack von mild bis ins Schärfere. Der ungewohnte Geschmack rührt vermutlich vom hohen Saccharosegehalt her und die vielen gesunden Inhaltsstoffe runden das Ernährungsangebot gut ab. Dass die Samen der Rübe bis zu fünf Jahren haltbar sind, liegt an dem hohen Ölgehalt.

Rüben als Dünger

Die Adelung des Rübchens als Delikatesse geht zurück in die Zeiten der Kurfürsten, aber auch in Preußen gedieh das Gemüse prächtig. Der Geschmack machte sie zur Gaumenfreude, aber der König von Preußen hatte womöglich ganz andere Vorstellungen.

Wie auch die Kartoffel einige Jahre zuvor, war der groß angelegte Rübenanbau eine Idee des Königs von Preußen, Friedrich der Große. Diese englische Methode sollte den sandigen Boden fruchtbarer machen. König Friedrich II von Preußen notierte sich diese Möglichkeit, dem märkischen Sand mehr Ertrag abzuringen. Dafür pflanzt man eine ähnliche Rübenart, die sogenannte Turnip, die im sandigen Untergrund wächst und beim Verrotten den Boden düngt, sodass dort Klee und anderes Tierfutter angebaut werden kann. Diese Form der Düngung des kargen Bodens ist durch die chemische Industrie überflüssig geworden. Ob die Methode je Anwendung fand, bleibt offen.

Gewiss ist, dass sie ihr Geschmack zu einer nachgefragten Spezialität machte. In Teltow und Umgebung sorgte die Rübe neben der eigentlichen Ernte für ein zusätzliches Geschäft. So fuhren die Bauern im August ihre Ernte ein und säten dann die Rübchen aus, die im November geerntet wurden. Mit dieser zweiten Ernte konnten einige Bauern einen Wohlstand aufbauen.

Preußische Delikatesse: Teltower Rübchen in prominenten Mündern

Die Nachfrage im 18. und 19. Jahrhundert war enorm. Diese Vorliebe brachte die Rübe ebenso auf den Teller damaliger Prominenz. So schätzten diese Rübe sowohl der deutsche Dichterkönig Wolfgang Goethe als auch der große Philosoph Emmanuel Kant.

Die Delikatesse wurde auch am französischen Hof serviert. Das erstaunte die preußischen Offiziere, die sich kurz zuvor Napoleon geschlagen geben mussten. Dennoch fragten sie höflicher Weise, um was es sich dabei handelte. Wahrheitsgemäß erklärte der französische Connaisseur und Justizminister Frankreichs: „Des Navets de Teltow“ (Weiße Rübe aus Teltow). Den Ort Teltow vermutete er aber in den USA. Derart belustigt erhob der preußische Graf, Henckel von Donnersmarck, sein Glas zum Toast und berichtete von dem Manöver neulich bei Teltow, wo er diese Rüben von einem Bauern gereicht bekam.

Die beliebte Rübe ließen sich preußische Offiziere bis nach Indien liefern. In diesem Zusammenhang fand Herr Duwe heraus, wie man das Gemüse ohne Zersetzungserscheinungen transportieren konnte. Das gelang, in dem man die Teltower Rübchen, selbstverständlich gesäubert, in Fässern voller Sand auf die Reise schickte.

Der Höhepunkt des Anbaus des Teltower Rübchens war wohl im 19. Jahrhundert. Die Teltower Rüben boten den Landwirten eine Möglichkeit des Wohlstands. Ein Hof bemaß sich damals auch daran, wie viele Abnehmer in Berlin auf die Rübenlieferung kamen.

Aber nach dem Höhepunkt schlich sich langsam ein Niedergang ein. Die nicht-industrielle, sprich handarbeitliche Ernte und der Wandel zu einem Industriegebiet am Teltowkanal ließen viele Anbauflächen verschwinden und letztlich reduzierte sich auch die Anzahl der Landwirte. Das Rübchen stieg von der Delikatesse zu einem Hobby ab, das aber rund um Teltow noch viele Freunde hatte. Doch mit dem massenhaften Anbau von Raps kam auch die Kohlfliege zum Rübchen. Sie riecht das zarte Gemüse schon von weiter Entfernung und so mussten ihretwegen Schutzmaßnahmen eingeführt werden.

Günter Duwe & die Renaissance des Teltower Rübchens

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Rübe in der DDR nicht im großen Stil angebaut. Wie Herr Duwe mir berichtete, gab es auch in der Postwendezeit einen Versuch, das Rübchen im großen Stil anzubauen und mittels Maschinen zu ernten. Doch die spezielle Wurzelbildung erschwerte eine industrielle Verwertung. Noch bis heute wird jede Rübe händisch aus dem Erdreich gezogen.

Die Rübe drohte fast der Vergessenheit anheimzufallen. Doch nach der Wende setzte sich Günter Duwe für ihre Wiederbelebung ein. Diese Delikatesse galt es auch für die Nachwelt zu erhalten. Nur seinem Engagement ist es zu verdanken, dass die Rübe heute wieder auf jedem Markt der Region vorzufinden ist. Denn lange galt die Rübe als antiquiert. Eine Zeitung titelte sogar, dass das Teltower Rübchen tot sei.

Mit einem geschickten Coup trieb Herr Duwe die Renaissance des Teltower Rübchens voran. Nicht zuletzt dank des Rufs als Gründer des Teltower Heimatvereins und des Teltower Rübchenvereins lud Duwe die hiesigen Landwirte, die Presse und die Politik zu einem Essen zusammen. Im Gasthof Hammer in Ruhlsdorf versammelte sich dann die regionale Prominenz zum Rübchen Essen.

Die Keynote zu diesem Event hielt Günter Duwe, verbunden mit der Empfehlung, sich dieses Wurzelgemüse schmecken zu lassen. Nach dem Essen sagte er: „Sie haben eine Leiche gegessen!“, was zu einigen Irritationen führte. Die Unruhe im Publikum wandelte sich in ein Gelächter, als Duwe hinzufügte: „Es gab einen Pressebericht, wonach das Teltower Rübchen tot sei.“ Die gewitzte Anspielung erlangte die Aufmerksamkeit und ihr Erfolg hallte in einer Schlagzeile zu dem Rübchen-Essen wider, welche Duwe besonders in Erinnerung blieb: „Das Teltower Rübchen lebt!“ Damit hatte Günter Duwe sein Ziel erreicht, denn seither ist das Gemüse zur Herbstzeit wieder auf vielen Tellern zu finden.

Nun trat auch die Landespolitik auf die Rübchenbühne. Zu einer Konferenz über das Teltower Rübchen lud der damalige brandenburgische Landwirtschaftsminister, Hinrich Enderlein, Günter Duwe ein. Er sollte bestätigen, dass es sich tatsächlich um diese spezielle Rübe handelte. Einen Nachweis dafür hatte noch niemand angeführt, aber Duwe hatte einen Einfall, der auch den Minister überzeugte.

Duwe war nicht nur Heimatforscher, er war zuvorderst Chemiker in Teltow-Seehof. Als naturwissenschaftlicher Forscher hatte Duwe die Gewohnheit, die Struktur einer Sache zu analysieren. Das erfolgte auch während seiner Forschung am Teltower Rübchen.

Diese Methode wiederholte er nun auch im Brandenburgischen Landtag im Beisein des Landwirtschaftsministers. Duwe schnitt eine dünne Scheibe des Rübchens ab und studierte die Maserung, indem er den Zuschnitt gegen die Fensterscheibe drückte. Er kam zu dem Ergebnis, dass es sich tatsächlich um die genannte Rübe handelte.

Günter Duwe spricht sich dafür aus, die Samen des Rübchens in einem der Saatgut-Tresore in Skandinavien für die Nachwelt zu sichern. Diese Aufgabe sollte der Rübchenverein anstreben. Die Lagerung im sogenannten Svalbard Global Seed Vault soll das genetische Pflanzenmaterial erhalten, sollte es nach einer Katastrophe gebraucht werden.

DUWEs WERK ÜBER DAS RÜBCHEN (Affiliate Link)

Dieser Text entstand in Kooperation mit dem Heimatforscher Günter Duwe. Herr Duwe war leitender Forscher in Seehof. Nicht zuletzt wegen seiner wissenschaftlichen Ausbildung widmet er sich auch der Erforschung der Geschichte von Teltow. Diese Leidenschaft führt er bis heute fort. Ich danke Günter Duwe für die freundliche Zusammenarbeit!

Bild: Jens Grabow vom Teltower vom Teltower Rübchenverein.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert