In Zehlendorf, unweit des Teltowkanals, befindet sich ein kleines Mekka für Eisenbahnfreunde. Es ist der Rest des ehemaligen Bahnhofs Schönow, der samt Museum und richtigen Lokomotiven zum Vorbeikommen einlädt. Aber wie kam es zu diesem Bahnhof? Wie ist diese Eisenbahn, genannt die Zehlendorfer Eisenbahn, nach Schönow gekommen? Und wir gehen der Frage nach, warum wird sie auch Goerzbahn genannt? Man könnte die Antwort erahnen, aber die Goerzwerke haben nur indirekt damit zu tun.
An der Wupper- Ecke Goerzallee finden sich noch immer Schienen, auch wenn diese seit einigen Jahren nicht mehr benutzt werden. Auf den ersten Blick wirken die ungenutzten Bahnschienen wie ein Relikt des Kalten Kriegs, doch dem ist nicht so. Noch bis zum Sommer 2018 befuhren Züge diese Strecke. Zuletzt gab es Ambitionen, die Strecke wieder in Betrieb zu setzen, was nicht bei allen Anwohnenden auf Gegenliebe traf. Dennoch gibt es inzwischen Pläne, die noch dieses Jahr umgesetzt werden sollen.
Die Geschichte der Zehlendorfer Eisenbahn alias Goerzbahn
Als sich zu beiden Seiten des Teltowkanals Industrie ansiedelte, begann auch die Geschichte der Zehlendorfer Eisenbahn. Im Jahr 1905 wurde die Bahnlinie in Betrieb genommen. Die Strecke der Verbindung führt noch heute vom Bahnhof Lichterfelde-West über vor allem den Dahlemer Weg an den Überresten des Bahnhofs Goerzallee 313 vorbei und endete jenseits der Straße, was heute wieder zu Lichterfelde gehört. Die Linie verband einige Unternehmen auf dem heutigen Industriegebiet. Dort soll wohl noch ein Gleis der früheren Bahnlinie genutzt werden.
Die Gründe der Zehlendorfer Eisenbahn finden sich in den Investitionen eines Herrn Neuburger. Der Bankier Neuburger hatte viele Flächen erworben, auch am gerade gebauten Teltowkanal. Er wollte mit dem Gelände an der Industrialisierung mitmischen. Im April 1904 nickte die Gemeinde Zehlendorf das Vorhaben ab. Es entstand nun eine mit „Pferdekraft betriebene Bahnanlage“ (wie es in den Chroniken des Heimatmuseums Zehlendorf aufgeführt ist. Tatsächlich wurde der Transport der Güter entlang der Strecke mit Pferden bestritten. Das Geschäft lief gut. 1907 wurde der „Bahnhof-Nord“ am Ende des Bahnhofs Lichterfelde-West errichtet.
Das private Unternehmen, das die Strecke und die beiden Bahnhöfe (Lichterfelde-West und Schönow) nutzte, war die im Jahr 1904 gegründete ZEUHAG. Der Name ist eine Abkürzung für „Zehlendorfer Eisenbahn und Hafen AG“. Doch mit der Eisenbahn hatte man es nicht so eilig. Erst nach zehn Jahren Betrieb befuhr eine Lokomotive diese Strecke. Die Genehmigung für den Betrieb einer Dampflok erhielt das Unternehmen bereits 1908, aber erst 1915 wurde eine angeschafft.
Die Strecke verlief bereits auf offiziellen Wegen, sodass zwischen Baubeginn und Abnahme nur sechs Monate des Jahres 1905 lagen. Dass der Einsatz der ‚Pferdezüge‘ auch eine enorme Verkehrszunahme bedeutete, konnte man an der Kritik der Menschen damals entnehmen, die sich über den geringen Platz für den Fuß- und Radverkehr mokierten.
Auf dieser Strecke wurden Baustoffe für die Errichtung der Anlagen transportiert. Die Idee ging auf und bald fuhr man auch produzierte Güter zurück zur Wannseebahn. Nachdem die Anlagen fertig waren, lieferte die Zehlendorfer Eisenbahn auch Rohstoffe für die Fertigungsanlagen.
Wieso also Goerzbahn?
Dass die Bahn auch Goerzbahn genannt wurde, liegt nicht so sehr an der Goerzallee, die auf das Unternehmen Optische Anstalt Goerz zurückging, sondern auf dessen Chef C. P. Goerz. Dieser war denn auch Präsident des Unternehmens, denn die Goerzwerke übernahmen 1918 die ZEUHAG. Übrigens wurde Goerz 1926 von Zeiss-Ikon übernommen. Heute ist die ZEUHAG ein Verein. Seit jenen Tagen des Transports der Arbeiter zum Goerzwerk, da Goerz nicht nur die Bahn übernahm, sondern auch seine Mitarbeiter damit beförderte, hat sich der Spitzname „Goerzbahn“ eingeschliffen. Der Betrieb eines regulären Personenverkehrs war einem Privatunternehmen jedoch nicht gestattet.
Noch in den 30er Jahren verliefen die Schienen bis zur Spinnstoff-Fabrik, genannt Spinne, die heute eine Brache darstellt. Aus den Goerzwerken war inzwischen das Zeiss Ikon Filmwerk geworden. Und auch die Telefunkengesellschaft war an die Goerzbahn angeschlossen. Die Bahn beförderte in Spitzenzeiten fast eine Million Menschen im Jahr. Das war 1922. 15 Jahre später sanken die Beförderungszahlen auf ein Drittel. Dennoch hat man den Dahlemer Weg 1938 noch erweitert: von 4,50 Meter auf 15 Meter Breite, wobei die Gleise nur 4,40 Meter einnahmen. Die Blinklichtanlage wurde 1937 eingerichtet. Die Züge fuhren zwischenzeitlich über 40 Stundenkilometer und konnten über zehn Waggons ziehen.
Die Goerzbahn hatte mehr als ein Ende
Die Zerstörungen während des Zweiten Weltkriegs waren verheerend, aber auch die Beschlagnahme vorhandener Verkehrsmittel brachten das Unternehmen zum Erliegen. Dennoch gelang 1946 ein neuer Versuch. Doch die Blockade Berlins setzte diesem Bestreben ein Ende, es gab keine Güter mehr zu transportieren. Die Deutsche Reichsbahn übernahm den Betrieb anschließend.
In den 60er Jahren waren auch die US-Armee und die VW-Werke angeschlossen. Die US-Army beförderte damit tatsächlich mehr als VW. Die Züge wurden mit Huptönen angekündigt. Das wurde später, der Ruhe zuliebe, geändert. Dafür wurden die Züge in gelbes Licht getüncht. Die Züge konnten auch ferngesteuert werden. Das war das Modell V 60 ex DB (363-365). In den 90er Jahren wurde das Gelände dem DB-Konzern übereignet.
Die alten Dampfloks blieben bis 1966 im Lok-Schuppen – bis sie verschrottet wurden. 1989 wurden auf der Bahnlinie Teile für die Autoindustrie befördert und am 2. Juli 2018 endete der Betrieb mit den letzten Lieferungen an die Autoindustrie. Zum Einsatz kamen dabei Dieselloks der Baureihe 365. Das bisherige Ende der Linie kam dann zugunsten des Lkw-Verkehrs.
Verein AG Märkische Kleinbahn übernimmt
Im Jahr 1981 nahm der Verein AG Märkische Kleinbahn das Gelände an der Goerzallee in Anspruch. Die Vereinsmitglieder richteten auf dem Gelände, wo vorher der Lok-Schuppen des Bahnhofs Schönow stand, ein Museum mit großen und kleinen Ausstellungsstücken ein. 1981 begann es mit einer kleineren Ausstellung. Gelegentlich wurden ab 1989 auch mal historische Züge auf die Schienen gesetzt. Diese fuhren dann mit rund 10 Stundenkilometer den Dahlemer Weg ab.
Der Verein AG Märkische Kleinbahn wehrte sich gegen die Entwidmung der Bahnlinie und erreichte zuletzt auch einen Beschluss einer Testphase. Dem ging 2021 auch eine Testfahrt mit einem ICE einher. Der Verein öffnet im Sommer immer sonntags seine Pforten für Besuchende. Man kann etliche Fahrzeuge, historische Gebäude, Eisenbahn-Exponate und Sicherungstechnik bestaunen, und viel über die Geschichte der Eisenbahn und des Bezirks lernen.
Zukunft der Goerzbahn
Noch im Dezember 2023 hat das Abgeordnetenhaus von Berlin einen Testlauf mit der Goerzbahn beschlossen. Das Goerzwerk hat dazu auch eine Petition gestartet. Die Züge sollen zwischen Lichterfelde-West und Schönow ab diesem Jahr – 2024 – verkehren. Angepeilt ist der Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs. Das genaue Konzept wird auch in Kooperation mit der TU Berlin erarbeitet. Ich hörte auch kritische Stimmen, die mit dem Bahnverkehr eine Zunahme des Verkehrslärms befürchten. Vermutlich wird die Konzeption auch diese Bedenken aufnehmen.
Erste Überlegungen sehen zwei Haltestellen auf dem Dahlemer Weg vor. Die Fahrt soll womöglich mittels eines autonomen Triebwagens vorgenommen werden. Dieser soll elektrisch angetrieben sein und es soll keine Fahrtzeiten geben. Braucht man eine Verkehrsanbindung, wird der Zug gerufen. Das „On-Demand“-Konzept arbeitet mit einem intelligenten Algorithmus, sodass die beste Fahrtzeit ermittelt wird.
Ob das dann tatsächlich so kommt, hat vermutlich auch mit finanziellen Mitteln zu tun. Das Projekt soll etwa 19 Millionen Euro kosten. Das Testprojekt soll zwei Jahre andauern. Sollte es jedoch keine Wirtschaftlichkeit aufweisen, würde es 2026 auslaufen.
Wo befindet sich das Museum zur Goerzbahn?
- Goerzallee 313
- 14165 Berlin-Zehlendorf
- GPS: 52.41088933939603, 13.274801632262967
- Homepage