Der ehemalige Bezirksbürgermeister von Steglitz, Paul Schwarz, wurde von den Sowjets eingesetzt und anschließend ins Zuchthaus geworfen. Eine dramatische Nachkriegsgeschichte und die Frage nach einer Schuld.
Im Jahr 1945 ernennt die sowjetische Besatzungsmacht Paul Karl Schwarz zum Bezirksbürgermeister von Steglitz. Der 78-jährige Ingenieur übernimmt das Amt als DVP-Politiker. Er wurde das Opfer von fehlender Rechtsstaatlichkeit und womöglich von Denunziantentum. Ein schlimmes Schicksal und die Frage der Schuld.
Der Leidensweg des Paul Schwarz
Noch vor dem Krieg war der Besitzer des Betriebs zur Produktion von Haushaltsgeräten Paul Schwarz, Vorsitzender der DVP in der BVV Steglitz. Dann kamen die Nazis und mit ihnen der Zweite Weltkrieg. Berlin wurde 1945 von den Sowjets eingenommen und später in vier Sektoren unterteilt, von denen sich drei zu West-Berlin formierten. Aber zunächst hatten die Sowjets in Berlin das Sagen. Dies war auch am 8. Mai der Fall, als Deutschland kapitulierte und der Zweite Weltkrieg in Europa endete. An jenem Tag suchten die Sowjets eine unbelastete Person für das Bürgermeisteramt im Bezirk Steglitz und Schwarz nahm die Aufgabe an. Er wird die kürzeste Amtszeit bestreiten.
Nach 53 Tage, am 30. Mai 1945, endete seine Karriere als Bürgermeister von Steglitz und sein gewohntes Leben. Er wurde zur sowjetischen Kommandantur in Karlshorst einbestellt. Als er die Hallen der sowjetischen Kommandantur betrat, war sein Schicksal besiegelt. Schwarz wurde verhaftet und in das KZ Hohenschönhausen überstellt. 23 Tage später wurden die Ermittlungen vom sowjetischen Innenministerium, NKWD, geleitet. Am 27. Juli 1945 wurde Paul Schwarz in das KZ Sachsenhausen verlegt. Dort blieb er fast fünf Jahre und musste sich regelmäßigen Verhören unterwerfen. Heute ist nicht mehr nachvollziehbar, wie viele Verhöre es waren und wie sie verliefen. Nicht mal die Dauer der Befragungen sind aktenkundig. Die Sowjets, und das war keine Ausnahme, nutzten oftmals die Folter zur Erpressung von Geständnissen¹. Einen konkreten Schuldnachweis gab es selten und so kann man es sich wohl auch bei Paul Schwarz vorstellen.
Im Februar 1950 übergaben ihn die Sowjets an die DDR-Behörden. Tags drauf wird er in das Zuchthaus in Waldheim verfrachtet. Dort gingen die Verhöre bis zum Mai weiter. Das Ergebnis der jahrelangen Misshandlungen war eine Anklageschrift voller Allgemeinplätze. Paul Schwarz, so die Folterergebnisse, wäre ein Großindustrieller, der eine große Anzahl von Arbeitern beschäftigte. Sicherlich war Schwarz kein Großindustrieller, er beschäftigte fünf Personen. Und so kann man auch die folgenden Vorwürfe einordnen. Er hätte untragbare Arbeitsverhältnisse geschaffen, hätte seine Arbeiter verprügelt und war überzeugter Verteidiger des NS-Regimes. Tatsächlich war er nicht mal Mitglied der NSDAP. Wäre dies der Fall gewesen, hätten ihn die Sowjets noch im Mai vermutlich nicht ins Amt geholt. Er bestritt die Vorwürfe, wie ein Verhörprotokoll aufzeigt. In der Tätigkeit als Bürgermeister von Stollberg soll er das faschistische Regime gelobt und die Stadt zur Erfüllung der NS-Ziele angehalten haben. Das ist heute nicht mehr zu belegen. Aber es ist bekannt, dass der zweite Bürgermeister von Stollberg von den Nazis wegen des Hissens der Weißen Fahne gegenüber den US-Amerikanern erschossen wurde. Des Weiteren wurde ihm vorgeworfen, er hätte sich den Anordnungen der sowjetischen Besatzungsmacht in Berlin widersetzt und hätte deren Befehle an den Bäumen abreißen lassen. Das soll von drei Personen aus Steglitz bezeugt worden sein. In einem Protokoll gibt er an, dass er seines betagten Alters wegen selten im Betrieb war und während des Kriegs waren nicht mehr Personen beschäftigt. Vielleicht wurde ihm die Beschäftigung von Zwangsarbeitern vorgeworfen, was auch in Verbindung mit den Misshandlungsvorwürfen stehen könnte. Bezüglich des Abreißens der Befehle der Sowjets gab er an, er hätte auf “Anordnung des Bezirkskommandanten, Oberstltn. Weger, sämtliche Schaukästen und Litfasssäulen sowie Schaufenster von Plakaten aller Art befreien“² lassen müssen. Aber es hätte keine Anordnung, die Befehle der Sowjets zu entfernen, gegeben.
Doch seine Beteuerungen halfen ihm nicht weiter. Die VoPo in Waldheim übermittelte dem Landgericht Chemnitz in Waldheim die Anklageschrift. Darin wurde ihm die Verbreitung tendenziöser Gerüchte vorgeworfen, die den Frieden des Volkes gefährdeten. Heute wäre das wohl Volksverhetzung. Beigefügt war der Anklage das Ermittlungsergebnis. Es beschreibt ihn als reaktionären Mann, der deshalb das NS-Regime ablehnte. Warum dies in der Anklageschrift steht, bleibt ein Rätsel. Es wurde sogar bestätigt, dass er nicht Mitglieder NSDAP war, weswegen man ihn zum Bürgermeister berief. Zur charakterlichen Einordnung warf man ihm Ausbeutung der Arbeiter vor, wofür es keinerlei Belege gab. Fazit: Er sei der Schuld überführt und von daher zu bestrafen. Die rigorose Strafe betrug acht Jahre und die Haftzeit in den KZs wurden nicht angerechnet. Außerdem wurde sein Vermögen eingezogen.
Die Begründung des Urteils war, dass Schwarz seine Untaten gestanden haben soll. Er wäre der Tragweite seines Handelns nicht gewahr gewesen, was das Gericht ihm wegen seiner Position nicht durchgehen lassen wollte. Dies wiege umso schwerer, als dass er gegen die Sowjets auf “das Übelste durch seine Handlung verleumdet[..]“² haben soll, die Deutschland vom Faschismus befreiten.
Waldheimer Kriegsverbrecher-Prozesse
Es war ein Urteil der sogenannten “Waldheimer Kriegsverbrecher-Prozesse”. Hier wurde die Entnazifizierung durch die Sowjets gerichtlich umgesetzt. Die Prozesse dauerten etwa 20 Minuten. Nur die Schauprozesse dauerten länger. Eine Verteidigung war für die Angeklagten nicht vorgesehen.
Bis 1950 wurden bis zu 180.000 Personen aus Deutschland inhaftiert. Viele davon in sogenannten Speziallagern, in welchen die sowjetischen Sicherheitsbehörden mit Folter und Misshandlung Geständnisse erzwangen. Dazu gehörten auch das KZ Sachsenhausen oder das Lager Bautzen. Viele der Insassen überlebten die Haft nicht. Wer überlebte, sah sich drakonischen Strafen ausgesetzt. Rund 36.000 Menschen wurden in die Sowjetunion deportiert. Rund 46.000 Menschen wurden freigelassen. Etwa 3.400 Personen wurden der DDR übergeben.
Sicherlich waren unter den Inhaftierten menschenverachtenden Nazis aber eben auch Unschuldige. Die Prozesse zeichneten sich vor allem wegen ihrer fehlenden Rechtsstaatlichkeit aus. Bekannte Nazi-Verbrecher wurden in den Schauprozessen verurteilt. Bei den Waldheimer Prozessen gab es 32 Todesurteile, wovon 26 in Waldheim umgesetzt wurden. Nach einem weltweiten Aufschrei wurden einige Strafen herabgesetzt.
Gedenken an Paul Schwarz
In Berlin gedachte man dem verstorbenen Paul Schwarz in einer Trauerfeier. Die Rede hielt der Regierende Bürgermeister Ernst Reuter. Er fand lobende Worte für seine Zivilcourage. In Lichterfelde wurde am 20. Februar 1952 die Paul-Schwarz-Promenade nach ihm benannt. Das ist der Abschnitt am Teltowkanal zwischen dem Krahmersteg und der Birkbuschstraße, wo auch der Rettungshubschrauber Christoph 31 startet. Außerdem wurde ein Findling ihm zu Ehren beim Bäketeich aufgestellt.
Quellen