In der Nähe des Schlachtensees war einst der Sitz des „Untersuchungsausschuß Freiheitlicher Juristen“ (UFJ).
Was sich da in West-Berlin abgespielt hat, war ein hochgradiger Spionage-Thriller. Der Schauplatz war einer der gefährlichsten Orte des Kalten Kriegs. Dort, wo jeder Konflikt das Potenzial nie gekannter Zerstörung herbeizuführen barg.
In Berlin wich 1945 die sowjetische Besatzung den vier Sektoren der vier Siegermächte. Und schon kurz darauf eskalierte der Konflikt zwischen der Sowjetunion und den Westmächten. In Berlin saß die oberste Machtinstanz über Deutschlands Schicksal – der Alliierte Kontrollrat. Aber die Sowjetunion verließ den Rat und bald war abzusehen, dass da ein neuer Konflikt entsteht. Im Kalten Krieg standen sich die beiden Supermächte direkt gegenüber. Das bietet viel Potenzial, auch für das gegenseitige Schlüsselloch linsen. Der Teufelsberg ist eine Geschichte der Spionage, der Abhörtunnel war eine Aktion der West-Geheimdienste und die Aktivitäten des Untersuchungsausschusses Freiheitlicher Juristen ließ die StaSi (DDR-Geheimdienst) zu extremen Mitteln greifen. Es ist eine für einige Personen tödlich endende Ereigniskette, die von Täuschung, Hochstapelei und verdeckten Aktionen vor dem Hintergrund eines drohenden Atomkriegs handelte.
Der UFJ war eine von der CIA, dem US-Auslandsgeheimdienst, finanzierte Institution zur Aufarbeitung von Menschenrechtsverbrechen in der sowjetisch besetzten Zone (SBZ). Diese Institution wurde von der Stasi mit brachialen Mitteln torpediert. Es gab Entführungen aus West-Berlin und eine Unterwanderung von StaSi-Angehörigen in die Reihen der UFJ. In dessen Zentrum stand Horst Erdmann alias Dr. Theo Friedenau.
Geschichte des Untersuchungsausschusses Freiheitlicher Juristen (UFJ)
Die Geschichte nimmt ihren vermutlichen Anfang mit der Anwerbung eines Mannes namens Horst Erdmann, welcher nach dem Zweiten Weltkrieg in Belzig als Rechtsanwalt aktiv war, zumindest konnte er die Menschen davon überzeugen. Vermutlich hat der CIA-Offizier Henry Hecksher ihn angeworben. Dieser Agent mit deutschen Wurzeln emigrierte in die USA, von wo er als Teil der Landungstruppen der Normandie-Invasion zurückkehrte. Er war ab 1946 in Berlin, wo er auch an verdeckten Operationen wie dem Berliner Spionagetunnel beteiligt war. Teile dieses Tunnels sind im Alliierten-Museum zu bestaunen. Später war er wohl auch ein Rädchen beim Sturz von Salvador Allende.
Offiziell wollten die USA keinen Untersuchungsausschuss, um die Missstände in der sowjetisch besetzten Zone (SBZ) zu enthüllen. Deshalb gründete Horst Erdmann den „Untersuchungsausschuß Freiheitlicher Juristen“ (UFJ) als private Institution in der Troppauer Straße in Lichterfelde. Es begann mit kritischen Aufsätzen über die Zone, die die Sowjets kontrollierten (SBZ). Das Geld kam vom CIA, aber das wurde stets dementiert. Ein Mr. Henry soll das Geld von einem Bierunternehmen aus den USA organisiert haben.
Schon im Jahr 1950 zieht man aus Platzgründen in die Argentinische Allee 5 um und noch im selben Jahr nahm der UFJ seinen finalen Platz in der Limastraße 29 ein.
Arbeit des Untersuchungsausschusses Freiheitlicher Juristen (UFJ)
Der UFJ hatte sich zur Aufgabe gestellt, die Unrechtstaten der Verantwortlichen in der SBZ und späteren DDR aufzuklären und aktenkundig zu machen. Dafür wurden betroffene und aus der Ost-Zone stammende Personen angehört und Belege gesammelt. Aber es wurden auch andere Daten über die SBZ/DDR erhoben. Dazu zählten Informationen über Infrastrukturprojekte oder über wichtige Persönlichkeiten. Ob der CIA Zugang zu den Daten erhielt, ist wohl der Fantasie überlassen. Das Haus bot eine rechtliche Beratung für Personen aus der SBZ/DDR und es wurden Leute angeworben. Alltäglich nutzten rund 200 Personen das Angebot. Bei der Erreichung der Ziele half auch ein Büro im Notaufnahmelager Marienfelde. Des Weiteren gab es eine Außenstelle in Frankfurt/Main.
Ab 1952 gab es Berichte und Dokumentationen über die Menschenrechtsverletzungen in der DDR. Das Repertoire an Zeitschriften zeugt mit den Titeln vom Inhalt: ‚Deutsche Fragen‘, das vormals ‚Aus der Zone des Unrechts‘ hieß und ‚Recht in Ost und West – Zeitschrift für Rechtvergleichung und interzonale Rechtsprobleme‘. Der erste Bericht über die Menschenrechte in der DDR entstand in Kooperation mit Amnesty International 1960. Aber nicht nur das DDR-Regime wurde angeklagt, auch deren Spitzenfunktionäre. Über sie wurden Flugblätter mit Anklagen veröffentlicht. Ein Beispiel war das Flugblatt aus dem November 1949. Inhaltlich wurde dem brandenburgischen Innenminister Bernhard Becher eine Reihe von Straftaten vorgeworfen, darunter Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Bestechung und Wahlfälschung. Behörden und Firmen ersuchten fast 9.000 Dossiers zur Überprüfung von Personen, die aus der DDR stammten.
Mit den gesammelten Informationen wurden dann Spione der DDR-Staatssicherheit (StaSi) enttarnt. Und zwar las man deren Namen im Radiosender RIAS vor. Es gab regelmäßige Durchsagen von Namenslisten. Das war vermutlich ein panisches Erlebnis für die Spione selbst und ein herber Schlag für die StaSi als Institution. Der UFJ drohte DDR-Sympathisanten auch schriftlich. Und es reihten sich etliche Aktionen ein, die der Demoralisierung dienten. Durch die UFJ erzeugte Printmedien wurden heimlich die der DDR verteilt. Es gab Graffiti und Plakataktionen gegen das DDR-Regime in der DDR. Auf dem Höhepunkt des Treibens half die UFJ bei Entführungen von Kindern. Aber man blieb tatsächlich stets gewaltfrei. Es gab jedoch auch einen gewalttätigen Arm als Pendant zur UFJ, und diese Abkürzung lautet KgU. Das Kürzel stand für Kampfgruppe gegen Unmenschlichkeit.
Gegenreaktion der StaSi auf die UFJ: Entführungen aus West-Berlin
Es war klar, dass der DDR-Geheimdienst sich das nicht einfach bieten ließ. Für die Ost-Elite war der UFJ eine Spionageorganisation im Dienste des Westens und damit lag man auch nicht ganz falsch. Also beobachtete man das UFJ und fotografierte die Besuchenden. Außerdem begann man Menschen in das System der UFJ einzuschleusen. So wurden etliche Mitarbeitende des UFJ enttarnt und verhaftet. Ein führender Kopf des UFJ war Walter Linse. Er wohnte in Lichterfelde in der Gerichtsstrasse 12, die heute Walter-Linse-Straße heißt. Vor seiner Tür wurde er im Juli 1952 von DDR-Agenten entführt. Die Szene wurde nachgestellt und kommt auch in dem Video vor. Mit dem Mittel des Schauprozesses wurden die enttarnten Mitarbeitenden verurteilt und im Fall von Walter Linse endete es mit der Hinrichtung im Dezember 1953 in Moskau. Das sowjetische Militärtribunal verurteilte ihn zum Tode durch Erschießen wegen Spionage und der Bildung einer antisowjetischen Organisation. Erst nach dem Kalten Krieg, im Jahr 1996 wurde das Urteil gegen ihn als politisches Opfer zurückgenommen.
Eine weitere Entführung beging die StaSi bei Dr. Erwin Neumann, der die Abteilung Wirtschaft bei der UFJ nach dem Tod von Walter Linse leitete. Der 20. August 1958 war ein sonniger Tag mit etwa 25 Grad, als Neumann mit einer Frau und einem Mann eine Segelfahrt auf dem Wannsee unternahm. Das Ziel war die Pfaueninsel, die keine 500 Meter von der Grenze zur DDR lag. Das vermeintlich freundliche Pärchen arbeitete für die DDR Staatssicherheit; Neumann würde West-Berlin nie wieder sehen. Wie erst später herauskam, wurde er betäubt und über die DDR-Staatsgrenze gebracht. Sein Urteil fand sich in einem geheimen Gerichtsprozess in Frankfurt/Oder und bestand aus einer lebenslangen Inhaftierung. Er starb bereits im Jahr 1967 in der Gefangenschaft.
Das Ende des Untersuchungsausschusses Freiheitlicher Juristen UFJ
Trotz der Dossiers und der gesammelten Erkenntnisse erwarb die private Institution nie eine vollstaatliche Anerkennung. Auch die Staatsanwaltschaft in Berlin schlug eine Zusammenarbeit aus. Der Mauerbau war eine Reaktion der DDR auf den steten Abfluss der Arbeitskräfte. Offiziell deklarierte die DDR die wahrgewordene Menschenverachtung als ‚Antiimperialistischen Schutzwall‘ und das, obwohl der Stacheldraht nach innen zeigte. Die BRD reagierte auf den Schritt mit der Gründung der Zentralen Erfassungsstelle der Landesjustizverwaltungen in Salzgitter, was die UFJ allmählich obsolet machte. Im Jahr 1969 ging der UFJ im Gesamtdeutschen Institut des Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen auf.
Horst Erdmann aka Dr. Theo Friedenau
Im Jahr 1959 brachte die DDR ein Buch über die Spionage in West-Berlin heraus: „Im Dienste der Unterwelt“. Im Zentrum des Buchs steht der UFJ und dessen Leiter Horst Erdmann. Schon im Jahr davor fand der StaSi heraus, dass Horst Erdmann nicht der Mann war, den er zu sein vorgab. Er log über sein Geburtsdatum, seinen Geburtsort und seine vermeintlich jüdische Mutter. Er war ein Hochstapler, denn obwohl er Jura studierte, legte er keine Abschlussprüfung ab. Er fälschte seinen Abschluss, seine Promotion und seinen Lebenslauf. Und er log bezüglich seiner Nazi-Vergangenheit, denn er war nicht nur in der Hitlerjugend als Stammführer, er war Leiter der Sozialabteilung und, nebst anderen Funktionen, der Gaujugendverwalter der Arbeitsfront. Als er seinen Hut nahm, wurde er durch Walther Rosenthal ersetzt.
Fazit: In dieser von einem zerstörerischen Weltkrieg erwachsene Konfliktszenario forderte etliche Opfer. Die UFJ war von der CIA unterstützt, aber es war auch eine Menschenrechtsorganisation. Ihr Leiter stellt dabei aber eine wenig rühmliche Rolle, wobei sein Geschick für Organisation und seine Beziehungen für viele Menschen der damaligen Zeit ein Hoffnungsschimmer war. Die ganze Dramatik versteckt sich in den Details und im Umgang mit Menschen. Nicht zuletzt entwickelte sich auch die Berlin-Blockade im Rahmen dieser Konstellationen und die West-Alliierten sicherten das Überleben von Millionen West-Berlinern, die die Sowjetunion als Faustpfand einsetzte.
Wo befand sich das letzte Domizil des UfJ?
- Limastraße 29
- 14163 Berlin-Zehlendorf
- GPS: 52.44296082228946, 13.229965449244515